Tag: 23. Juli 2025

Hintergründe zur Naziwanderung im Berner Oberland

Am Wochenende vom 19./20. Juli 2025 wanderte eine Gruppe von rund 25 Männern aus den USA, der Schweiz und verschiedenen europäischen Ländern durch das Wildhornmassiv im Berner Oberland – vollständig gekleidet in historische Wehrmachtsuniformen, inklusive Hakenkreuzen und anderer NS-Symbolik.

Hinter der Aktion steckt das sogenannte „Project Edelweiss“, das seit Jahren historische Gebirgsausbildung nachstellt. Laut eigenen Angaben sollen damit „die alpinen Herausforderungen der damaligen Zeit“ nachempfunden werden. Sie verweist auf zehn bisher durchgeführte Ausgaben mit über 100 Teilnehmenden aus mehr als 18 Nationen, darunter Deutschland, die Schweiz, die USA, Großbritannien, Italien und Frankreich.

Doch die detailgetreue Inszenierung von Hitlers Elitetruppen im öffentlichen Raum wirft Fragen auf. Wer 1939 Gebirgsjäger war, diente nicht einfach einer alpinen Spezialeinheit, sondern war Teil einer Armee, die zentraler Bestandteil des nationalsozialistischen Machtapparats und an zahlreichen Massenmorden beteiligt war. Die Gebirgsjägerverbände waren dabei keine Randerscheinung, sondern in vielfacher Hinsicht Teil der brutalen militärischen Elite.

Insbesondere die 1. Gebirgs-Division, welche oft als „Hitlers Elitesoldaten“ oder „Edelweiss-Division“ bezeichnet wurde, galt als hochmotivierter und besonders kampferprobter Truppenteil. Ihre Angehörigen wurden gezielt für schwierige Kriegseinsätze im Gebirge ausgebildet. Unter anderem an der Heereshochgebirgsschule, einer militärischen Spezialschule, deren Fokus nicht auf Alpinismus, sondern auf Gefechtstaktik und Geländeüber-legenheit lag. Jene Schule auf welche sich auch das “Project Edelweiss” in ihrem Logo bezieht.

Das „Project Edelweiss“ betont apolitisch zu sein, doch ein Blick in die eigene Packliste zeigt das Gegenteil: Verpflichtend für alle Teilnehmenden ist die vollständige Uniform der Gebirgstruppen der Wehrmacht im Sommer 1939. Diese beinhalten unter anderem den Wehrmachtsadler mit Hakenkreuz auf der Brust, auf der Bergmütze und auf dem Gürtel. Ziel der Liste ist also nicht ein alpines Outfit, sondern eine möglichst detailgetreue Reproduktion der nationalsozialistischen Truppen-ästhetik.

Besonders verstörend ist, dass das „Project Edelweiss“ selbst NS-Orden als Auszeichnung für die regelmässige Teilnahme vergibt.
2 x Teilnahme Anschlussmedaille: Die Medaille wurde am 1. Mai 1938 von Adolf Hitler gestiftet, um Personen zu ehren, die einen besonderen Anteil bei der zwangsweisen Eingliederung Österreichs in das Reich hatten.
6 x Teilnahme Sudetenland-Medaille: Sie galt als Ehrung für Verdienste bei der Eingliederung des Sudetengebiet.

Wer lediglich historisches Bergsteigen darstellen möchte, könnte andere Zeitfenster oder zivile Expeditions­ausrüstung wählen. Stattdessen nimmt das Projekt explizit die Monate nach April 1939 als Referenz. Wer aber Wert darauf legt, nach alpinem Vorbild zu klettern, benötigt keine Abzeichen und schon gar nicht zentrale Symbole des Nationalsozialismus. Die detailgetreue Reproduktion bis hin zum Haarschnitt zeigt, dass es um militärische Authentizität, nicht um reine Bergsport­geschichte geht.

Nach der medialen Aufmerksamkeit löschten die Organisatoren Inhalte von der Website. Beispielsweise ein 20-seitiges PDF mit detaillierten Uniformvorgaben, inklusive Hakenkreuz-Adler auf Mütze, Gürtel und Brust, sowie Bildmaterial mit sichtbarer NS-Symbolik. Diese Inhalte waren über Jahre öffentlich zugänglich und wurden offenbar erst entfernt, als sie auf Kritik stießen. Die plötzliche Löschung dieser Inhalte wirkt nicht wie eine Aufarbeitung, sondern wie ein Versuch, kritische Belege verschwinden zu lassen.

Das Projekt betont „unpolitisch zu sein”, liefert aber weder Geschichts-aufarbeitung noch Gedenkmomente für Opfer des Nationalsozialismus. Wenn überregionale organisierte Gruppen in NS-Uniformen durch die Alpen marschieren, braucht es öffentliche Aufmerksamkeit, Protest und kritische Medienberichterstattung. Solche Inszenierungen sind nie harmlos, sondern schaffen Räume, in denen nationalsozialistische Ästhetik romantisiert und normalisiert wird.

Die Berge nazifrei!